Endometriose: Der Feind im Bauch
Medizin
Bei Endometriose handelt es sich um die häufigste gutartige Erkrankung von Frauen im gebärfähigen Alter. Etwa eine von zehn Frauen im reproduktiven Alter leidet an dieser äußerst schmerzhaften gynäkologischen Erkrankung; allein in Wien sind ca. 35.000 Frauen regelmäßig und langfristig betroffen.
Ursachen und Entstehung
Als Ursache der Endometriose gelten so genannte Endometrioseherde außerhalb der Gebärmutterhöhle. Dabei handelt es sich um Läsionen, die sich vor allem an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell ansiedeln. In selteneren Fällen kann es auch außerhalb des Bauchraums zu Endometrioseherden kommen. Da ihr Gewebe dem der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, machen diese Herde den hormonellen Monatszyklus der Frau mit und können wachsen und bluten. Sie können im schlimmsten Fall – obwohl sie als gutartig kategorisiert werden – sogar Schädigungen an Nachbarorganen (vor allem Harnblase und Dickdarm) verursachen. Als Risikofaktoren gelten eine frühe erste Menstruation, kurze Zyklen und schmerzhafte Regelblutungen. Auch genetische und Umweltfaktoren können an der Entstehung beteiligt sein.
Auswirkungen und Folgen
Endometriose äußert sich sehr häufig als starker Menstruationsschmerz. Weitere Symptome sind chronische Schmerzen im Unterbauch (Chronic Pelvic Pain – PCC), die unabhängig von der Periode auftreten, und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Breiten sich die Zysten und Entzündungen in Blase und Darm aus, werden auch das Urinieren und der Stuhlgang zur Qual. Chronische Entzündungen, Verwachsungen und Vernarbungen können Schmerzen im ganzen Körper verursachen und zu Fruchtbarkeitsproblemen führen. Durch chronischen Schmerz und Beeinträchtigungen von Körperfunktionen sind Endometriose-Patientinnen oft psychischen und psychosozialen Belastungen ausgesetzt.
Häufig, aber oftmals unerkannt
Leider ist Endometriose zwar eine häufige, aber dennoch nach wie vor unterdiagnostizierte Erkrankung. „Dass vom Auftreten erster Beschwerden bis zur konkreten Diagnosestellung ca. sieben Jahre vergehen, liegt oft daran, dass weder die Patientinnen selbst, noch deren Ärzt*innen die Symptome ernst nehmen und entsprechend zuordnen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Fritz Nagele, Ärztlicher Direktor und Leiter der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Privatklinik Goldenes Kreuz. So werden extreme Regel- und Unterleibsschmerzen oft „falsch interpretiert und behandelt – und Patientinnen begeben sich in ihrer Not auf eine wahre Ärzte-Odyssee“, sagt der Experte.
Abklärung und Behandlung
Um eine Endometriose-Erkrankung zuverlässig zu diagnostizieren, gilt die Bauchspiegelung (Laparoskopie) als „Methode der Wahl“. Dabei werden die Bauchhöhle und die darin liegenden Organe mithilfe eines Laparoskops, einer speziellen Kamera, sichtbar gemacht. Diese Untersuchung hat auch den Vorteil, dass mögliche Endometrioseherde im gleichen Schritt sofort minimal-invasiv entfernt werden können. Bildgebende Verfahren wie Ultraschall, CT und MRT können nur einen Verdacht, aber keine endgültige Diagnose liefern. „Wir erstellen für jede Patientin eine individuelle, maßgeschneiderte Therapie. Diese besteht, je nach Therapieziel, aus Operation, hormoneller oder medikamentöser Behandlung oder einer Kombination dieser Maßnahmen“, betont Fritz Nagele.
Endometriose und Kinderwunsch
Etwa 40 bis 60 Prozent der Fruchtbarkeitsprobleme bzw. Ursachen für unerfüllten Kinderwunsch bei Frauen entstehen durch Endometriose. Deshalb wird die Diagnose vom staatlichen IVF-Fonds anerkannt und die Kinderwunschbehandlung finanziell unterstützt. Zyklusstörungen, Verklebungen und Verwachsungen in Eileiter, Gebärmutter oder Eierstock, Entzündungsprozesse, Reaktionen des Immunsystems und die Zysten selbst beeinflussen die Befruchtung, den Eitransport oder die Einnistung. Ein möglicher Kinderwunsch sollte in Hinblick auf die mögliche Endometriosetherapie unbedingt berücksichtigt werden. So kommt speziell eine Hormontherapie nicht infrage, da dadurch die Hormonproduktion in den Eierstöcken unterdrückt wird und damit eine natürliche Befruchtung unmöglich ist. In Frühstadien erhöht die operative Sanierung der Erkrankung nachweislich die Chancen, auf natürlichem Wege schwanger zu werden.
Interdisziplinäre Endometriosebehandlung
„Obwohl es in den letzten Jahrzehnten viele Fortschritte in der Endometrioseforschung gab, ist die Entstehung dieser Krankheit, also die Pathogenese, immer noch nicht vollständig geklärt“, betont Gynäkologe Nagele. Im Rahmen des Klinik-Schwerpunktes Endometriose arbeitet er eng mit seinen Kolleg*innen aus Chirurgie, Urologie und bildgebender Diagnostik zusammen, um betroffenen Frauen einen Ausweg aus der Schmerzspirale zu bieten – und darüber hinaus bei unerfülltem Kinderwunsch durch Endometriose zu helfen. Er empfiehlt einen ganzheitlichen Therapieansatz, der – altersabhängig und von möglichem Kinderwunsch beeinflusst – neben Bauchspiegelung, Hormonbehandlung, Schmerztherapie und Operation – auch mit einer Ernährungsumstellung, Sport und Bewegung sowie komplementären Therapien einhergehen soll.
Weitere Informationen und Kontakt: Endometriose-Sprechstunde